Die Kirche

NDR-Beitrag über die St. Jacobikirche

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Gründungsgeschichte

Quelle: Katrin Benary
Die St. Jacobikirche Göttingen wurde an der alten Heerstraße errichtet, die von Norden nach Süden führt. Damit sollte Reisenden und insbesondere Pilgern auf dem Weg zum Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela (Spanien) Gelegenheit geboten werden, in der Kirche zu beten.

Der Innenraum

Quelle: Archiv St. Jacobi
Die St. Jacobikirche ist eine gotische Hallenkirche mit einem Mittel- und zwei Seitenschiffen. 

Der Turm

Quelle: Christina Hinzmann
Die Namen der Baumeister, die das Kirchenschiff erbaut haben, sind  nicht bekannt. Hingegen ist der Name des wichtigsten Baumeisters des Turmes überliefert: Hans Rutenstein aus Hildesheim. Er hat auch am Bau der Andreaskirche in Hildesheim und beim Turmbau der Andreaskirche in Braunschweig mitgewirkt.

Die Glocken

Quelle: Katrin Benary
Die Betglocke
Im zweiten Turmgeschoss steht der Glockenstuhl mit fünf Läuteglocken. Die älteste stammt von 1423; die übrigen vier wurden 1968 von der Glockengießerei Rincker in Sinn gegossen. In den nächsten Stockwerken befinden sich die Betglocke von 1636 und ein Glockenspiel mit 14 Glocken. 
Quelle: Katrin Benary
Glöckner Dr. Ernst Puschmann am Spieltisch
Anders als die Läuteglocken werden sie mit Klöppeln, die über Drähte mit dem „Stockenklavier“ (Spieltisch des Glockenspielers) verbunden sind, angeschlagen. 

Der Altar von 1402

Der St. Jacobi-Altar ist ein Beispiel für einen besonders reich ausgestatteten Flügelaltar. Die Künstler, die ihn geschaffen haben, sind unbekannt. Sie werden darum mit dem Notnamen „Die Meister des Jacobialtars“ bezeichnet. Dank seiner doppelten Flügel hat der Altar drei verschiedene Ansichten: eine sogenannte Werktags-, eine Sonntags- und eine Festtagsseite.

Der Taufstein

Quelle: Katrin Benary
Der aus dem 17. Jahrhundert stammende Taufstein trägt auf der Taufschale die Jahreszahl 1643. Er wurde gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges nach dem Teilfriedensschluss der Welfen mit dem Kaiser in Braunschweig (1642) gestiftet, vermutlich als Ersatz für ein im Krieg entwendetes Bronzetaufbecken, dass für den Guss von Kanonen eingeschmolzen worden war.

Die Fenster im Altarraum

Quelle: Fotos und Montage: Christian Scholl
Die Fenster im Chorraum wurden im Zuge einer umfangreichen Neugestaltung der Kirche 1900/01 geschaffen von der Glasmalwerkstatt Henning & Andres in Hannover. In der Auswahl der Motive waren die Verantwortlichen bestrebt, über dem mittelalterlichen Altar von 1402 ein „typisch evangelisches“ Programm darzustellen.
Die beiden figürlichen Fenster im südlichen Seitenschiff erinnern an Ereignisse der Göttinger Reformationsgeschichte 1529/30. Das linke zeigt, wie lutherisch gesinnte Wollenweber eine Bittprozession der Altgläubigen am Bartholomäustag 1529 stören. Das rechte Fenster über dem Südportal zeigt die Verlesung der Göttinger Kirchenordnung am Palmsonntag 1530 in der St. Jacobikirche.

Das Gedenkfenster im Westwerk

Quelle: Andreas Overdick
Das Fenster wurde am Totensonntag 1925 eingeweiht. Der Glasmaler Hubert Henning verwandte besondere Sorgfalt, wenn auch in idealisierter Form, Kriegsrealität darzustellen: im Hintergrund entlaubte Baume nach einem Giftgaseinsatz und ein zerstörtes Haus, im Vordergrund das Wagenrad einer zerstörten Haubitze, dazu die detailgetreue Wiedergabe einer Uniform aus der Anfangszeit des Ersten Weltkriegs. Die Intention des Fensters beschreibt der Glasmaler so: „Bei dem Krieger habe ich mit Absicht nicht das Sterbens-Moment gewählt, weil dieses auf etwas sensible Nerven der Kirchenbesucher auf die Dauer aufregend wirken dürfte. Ich dachte mehr an die Wiedererweckung und Aufnahme in das himmlische Reich, welche auf die Leidtragenden tröstend wirken dürfte, wenn sie ihrer Gefallenen gedenken und deren Namen lesen.“

Die Kanzel von 1901

Quelle: Storz
Die Kanzelarchitektur schuf der Göttinger Tischlermeister Heinrich Ahlbrecht (1865-1944) im Zuge der großen Innensanierung, bei der auch die Chorraumfenster und die Fenster im Südschiff entstanden sind. Lediglich die Figuren am Kanzelkorb wurden dem Hannoveraner Bildhauer Theodor Maßler (1844-1910) übertragen. Er schuf in Ergänzung zu den Evangelistenfenstern im Altarraum jene vier Apostel, die die Briefe des Neuen Testamentes geschrieben haben: Petrus, Johannes, Jakobus und Paulus. In ihrer Mitte, der Gemeinde zugewandt, steht der segnende Christus und am äußeren Rand Martin Luther.
Für die Apostel nahm Maßler die Figuren vom Sebaldusgrab in Nürnberg aus dem frühen 16. Jahrhundert zum Vorbild, für Luther das Reformationsdenkmal in Worms von 1868. Anders als heute stand die Kanzel ursprünglich auf der Südseite und damit gegenüber den Evangelistenfenstern. Sie war ursprünglich holzsichtig und mit einem reich gestalteten Schalldeckel versehen, wie im Reformationsfenster über dem Südportal zu sehen ist.

Die Schreiter-Fenster zu Psalm 22

Quelle: Archiv St. Jacobi
Im nördlichen Seitenschiff der St. Jacobikirche wurde 1997/98 ein Zyklus von fünf Farbfenstern zum 22. Psalm nach Entwürfen von Johannes Schreiter eingesetzt (ein ergänzendes, sechstes Fenster 2004/05). Schreiter malt keine gegenständliche Geschichte, sondern übersetzt den Psalm in seine abstrakte Bildsprache. Die folgenden Beobachtungen sollen zusammen mit den Bibeltexten erste Zugänge zu Schreiters Bildersprache erschließen.

Die Orgeln

Quelle: Archiv St. Jacobi
Die große Orgel auf der Westempore wurde 1966 von der Orgelbauwerkstatt Paul Ott (Göttingen) gebaut und 2006/07 von der Firma Siegfried Schmid (Knottenried/Allgäu) grundlegend erneuert: Ein Schwellwerk mit neun Registern, ein Subbaß 32´ und mehrere Koppeln wurden hinzugefügt. Außerdem wurden sämtliche 4806 Pfeifen neu intoniert sowie eine moderne Setzeranlage eingebaut. Mit vier Manualen und Pedal und 68 Registern sowie drei Instrumenten ihrer Zeit zählt sie zu den größten Orgeln Niedersachsens.
Quelle: Archiv St. Jacobi
Die Italienische Orgel im südlichen Seitenschiff wurde 1844 vom Orgelbauer Vincenzo Ragone (Genua) gebaut. Mit wenigen Registern bietet dieses Instrument in mitteltöniger Stimmung ideale Voraussetzungen für die Darstellung von Musik der Renaissance. Das Register „voce umana“ (die menschliche Stimme) schafft einen warmen, schwebenden Klang. Darüber hinaus besitzt die Ragone-Orgel als Zugabe eine „Nachtigall“: Vier kleine Pfeifen sind so gedreht, dass sie in ein Gefäß mit Wasser hinein spielen, wodurch ein Zwitschern wie von einer Vogelstimme erzeugt wird.

Grabplatten und Gedenktafeln

Quelle: Storz
Grabplatte Marianne Haller
Die St. Jacobikirche war über viele Jahrhunderte nicht nur ein Ort der Lebenden, sondern zugleich auch Grablege. Nicht nur auf dem Kirchhof wurden Tote bestattet, sondern in der Kirche selbst. Der Fußboden der Kirche – im Mittelalter noch ohne Bänke – war gepflastert mit Grabplatten. Mittelalterliche Steine sind nicht mehr erhalten; sie wurden 1530 für den Ausbau der Stadtmauer und des Deiches am Groner Tor verwendet. 

1717 wurde ein Verzeichnis sämtlicher Grablegen in der Kirche erstellt, das seit ca. 1600 etwa 200 Beisetzungen in Altarraum und Kirchenschiff dokumentiert. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Beisetzung auf Kirchhöfen und in Kirchen als unhygienisch betrachtet und eingestellt, und man verlagerte die Begräbnisstätten aus der Stadt heraus. So entstand 1747 vor den Mauern der Stadt der Bartholomäusfriedhof an der Weender Landstraße. 

Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wurden die meisten Grabplatten aus der Kirche entfernt. Sieben Grabplatten und Gedenktafeln, die an den Wänden hängend an Verstorbene erinnerten, sind bis heute in der Kirche zu sehen.

Besondere Beachtung verdient die Grabplatte der Ehefrau Albrecht von Hallers (1708-1777) an der nördlichen Innenwand. Der bedeutende Schweizer Mediziner, Botaniker und Dichter lehrte von 1736 bis 1753 an der Universität Göttingen. Als er 1736 mit seiner Frau Marianne geb. Wyss und drei Kindern nach Göttingen anreiste, stürzte seine Frau beim Einfahren in die Stadt aus dem Wagen und starb einen Monat später. Die lateinische Inschrift, ins Deutsche übersetzt, erinnert bis heute an diesen tragischen Tod: „Nachdem sie das Vaterland zurückgelassen und ihrem Mann gefolgt war, fand hier das Ende ihrer Reise Mariana Haller, Tochter des Samuel Wyss, des Herrn zu Mathod und la Motte. Sie lebte 25 Jahre und 7 Monate. Sie gebar Mar(ia)na, Ludwig Albert und Gottlieb Emanuel, die alle noch leben. Nach Göttingen kam sie am 30. September, sie starb am 31. Oktober desselben Jahres 1736. Den Stein setzte der hochbetrübte Ehemann Dr. Albertus Haller, ordentlicher, öffentlicher Professor der Medizin, Anatomie, Botanik. Diesen betraure, die Selige bedarf nicht der Tränen.“

Literatur über die St. Jacobikirche

Karl Arndt, Johannes Schreiter: Glasfenster-Entwürfe zu Psalm 22 für St. Jacobi in Göttingen, Göttinger Jahrbuch 45 (1997), S. 5-12. – Dirk Tiedemann (Hg.), Im Inneren das Gold des Himmels. Der Flügelaltar der Göttinger St. Jacobi-Kirche, Göttingen 2002. – Bernd Carqué und Hedwig Röckelein (Hg.), Das Hochaltarretabel der St. Jacobi-Kirche in Göttingen, Göttingen 2005. – Bettina Kratz-Ritter (Hg.), Festschrift zur Wiedereinweihung der renovierten Paul-Ott-Orgel St. Jacobi Göttingen Pfingsten 2007, Göttingen 2007. – Karl Heinz Bielefeld, Orgeln und Orgelbauer in Göttingen, Berlin 2007. – Yvonne Besser, Religiöse Bildsprache der nichtfigurativen Moderne. Der Fensterzyklus zu Psalm 22 von Johannes Schreiter in der Jacobikirche Göttingen, Frankfurt a.M. 2009. – Christian Scholl, Zukünftige Vergangenheit: Conrad Wilhelm Hase und die Restaurierung der Göttinger Jacobikirche 1880-1901, in: Göttinger Jahrbuch 58 (2010), S. 79-112. – Rainer Kahsnitz, Das Hochaltarretabel in St. Jacobi zu Göttingen, in: Thomas Noll und Carsten-Peter Warncke (Hg.), Kunst und Frömmigkeit in Göttingen. Die Altarbilder des späten Mittelalters, Berlin-München 2012, S. 45-82. – Bettina Achsel, Anmerkungen zu zeichnerischen Werketappen der Jakobus-Szenen auf dem Göttinger Jacobi-Retabel, in: Thomas Noll und Carsten-Peter Warncke (Hg.), Kunst und Frömmigkeit in Göttingen. Die Altarbilder des späten Mittelalters, Berlin-München 2012, S. 83-98. – Das Rechnungs- und Kopialbuch der Kirche St. Jacobi in Göttingen 1416-1603. Einführung und Edition, bearbeitet von Josef Dolle, Bielefeld 2014. – Klara Wagner und Anna Luisa Walter, St. Jacobi, in: Jens Reiche und Christian Scholl (Hg.), Göttinger Kirchen des Mittelalters, Göttingen 2015, S. 151-195. – Harald Storz, Die Grabplatten in St. Jacobi, Göttingen 2015. – Christian Scholl und Harald Storz, Sichtlich evangelisch. Die Glasfenster der Jacobikirche in Göttingen von 1900/01, Göttingen 2017.